Strandräuber auf Usedom

Als ich in Karlshagen auf Usedom das erste Mal einen Strandräuber kennengelernt habe, war ich erstaunt. Karlshagen ist auf der deutschen Seite auf Usedom. Ich hatte doch die naive Vorstellung, in Deutschland würde Strandräuberei verfolgt werden. Und ich muß fair zugeben, ich fühlte mich durch den Strandräuber nicht übermäßig bedroht. Er trug keine Waffe, wenigstens zeigte er sie nicht und sie war auch nicht zu erkennen. Ich nehme Sie mit, damit auch Sie Sich ein Bild machen können und den Strandräuber kennenlernen. Wenn Sie dann später einem solchen Strandräuber begegnen, müssen Sie Sich eben nicht so fürchten.

Meine Frau und ich machen gelegentlich, und weil ohne schulpflichtige Kinder, weit außerhalb der Saison Kurzurlaub, bislang gerne auch auf Usedom. Urlaub heißt für uns auch, am Strand spazieren zu gehen und das nicht nur in der Nähe des Hotels sondern auch in anderen Orten auf der Insel.

Als wir im Hotel anreisten und eincheckten, teilte und die nette Dame an der Rezeption mit, wir bekämen keine Kurkarte, da wir außerhalb der Saison in einer kurtaxefreien Zeit reisen. Super, dachte ich, haben wir ein paar Euronen gespart.

Übrigens Kurtaxe klingt so schön fremdländisch. Wollen wir es einmal gemeinsam übersetzen. Das Wort besteht aus zwei Teilen, deren erster Kur mit Urlaub übersetzt werden kann und deren weiterer Taxe mit Steuer zu übersetzen ist. Eine Kurtaxe ist also eine Urlaubssteuer. Damit will der Ort, der sie erhebt, das Geld zurück haben, das der Ort dafür ausgegeben hat, daß sich die Urlauber wohl fühlen. Dafür reichen den Orten die Millionen an Gewerbesteuer der Beherbergungsbetriebe nicht; die Gier ist größer. Aber zurück zum Geschehen.

In meinem Hotel habe ich keine Kurkarte erhalten. Die netten Dame an der Rezeption hat aber auch nicht davon gesprochen, ich sollte mich jetzt auf konkret diese und jene Gemeinde auf Usedom beschränken, weil in den anderen Gemeinden bei Betreten die Kurtaxe gleich wohl auch weit außerhalb der Urlaubszeit zu zahlen sei. Hätte sie sicher, wenn es denn so wäre.

An einem netten Urlaubstag fahren wir zum am Strand spazieren gehen nach Karlshagen. Karlshagen ist einer der wenigen Orte auf Usedom, in denen ganzjährig Parkplätze am Straßenrand zu bezahlen sind. Viele andere Gemeinden haben erkannt, daß es im Werben um Gäste außerhalb der Saison geboten ist, die Gäste mit Herzlichkeit zu umgarnen. Ganz anders Karlshagen. Das hat Karlshagen nicht nötig, denn Karlshagen ist kein Urlaubsort, will wohl auch keiner sein und/oder werden. Also füllen wir das Groschengrab am Parkplatz. Auf dem Weg zum Strand grübeln wir, wo wir denn anschließend im Ort ein wenig essen können, jetzt erst einmal Kaffee und Kuchen und ob wir abends ein Lokal sehen, daß uns gefällt.

Dann gehen wir an den fast menschenleeren Strand. Wir sind deutlich außerhalb der Saison. Es ist wenig los, zum Baden viel viel zu kalt. Nicht einmal barfuß gehen möchte man am Strand.

Nach so 20m merken wir, daß uns jemand verfolgt, eine einzelne ältere Person mit Schirmmütze, aber ohne Hoheitszeichen, also schon einmal kein Polizist. Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen? Die ältere Person kommt näher, ich mache einen etwa 1,70 großen knapp 70 Jahre alten Mann aus. Und auf der Schirmmütze steht etwas. Ich glaube es war Strandvogt. Also dieser nette alte Mann erreicht uns, murmelt etwas und behauptet, er wäre Angestellter der Kurverwaltung der Gemeinde. Wir mögen doch bitte einmal unsere Kurtaxen vorzeigen. Ich teilte mit, wir würden in Trassenheide einem Nachbarort im Hotel wohnen. Darauf muß der Strandvogt wohl gewartet haben. Er erklärte uns, er wolle jetzt Geld von uns haben, weil wir auf „seinem“ Strand spazieren. Dann holt er ein seitlich an seinem Körper baumelndes Gerät hervor und erklärt, der heutige Tag koste jetzt x Euro. Gut der alte Mann hat sich nicht ausgewiesen, wie dies sonst jeder öffentlich Bedienstete unverzüglich bei Vorstellung tut. Er trug auch keinen Dienstausweis auf seinem Revers, wie dies viele Beamte im Außendienst machen. Doch in Anbetracht des überschaubaren Betrages wollte ich jetzt einfach auch ein wenig wissen und bat etwas unauffällig Jemanden, er möge einmal ein Foto machen. Ich spürte, hier stimmt etwas nicht. Es sind Betrüger am Werk.

Karlshagen ist der letzte Ort vor Peenemünde. Schon Hitler hat dort schlimmes machen lassen. In der Zeit der DDR ist vieles nicht wirklich besser geworden und scheinbar haben einige Schlapphüte eine Plattenbau-Reihe zu Wohnzwecken in bester Lage direkt hinterm Deich errichten lassen, um von dort aus zum Einsatz nach Peenemünde zu fahren. Und nach der Wende wurde es dann als Eigentumswohnung wohl besonders preiswert an die alten Bewohner verkauft. Die haben natürlich kein Interesse daran, daß Karlshagen ein Urlaubsort wird. Sie möchten gerne unter sich bleiben.

Da ist der Strand wohl ein wenig parzelliert worden und die ehemals geübten Mitarbeiter sollen höflich und hartnäckig Fremde bewegen, diesen Strand nicht zu nutzen. Oder bilde ich mir das nur ein und es ist wirklich ein Angestellter der Gemeinde Karlshagen?

Nein es konnte kein Mitarbeiter der Gemeinde Karlshagen sein. Es sprach zu viel dagegen.

a) Ein Mitarbeiter der Gemeinde Karlshagen hätte sich durch Vorzeigen seines Dienstausweises legitimiert oder diesen Dienstausweis gleich offen am Revers getragen.

b) Die verschiedenen Gemeinden auf Usedom würden nicht versuchen durch Abzocken von Gästen der Nachbargemeinden den Namen der Insel in den Schmutz zu ziehen.

c) Der Mitarbeiter der Gemeinde hätte seine Geldempfangsvollmacht vor Annahme von Geld vorgezeigt. Mitarbeiter sind in Deutschland nicht per se Geldempfangsbevollmächtigt.

d) Auf dem ausgehändigten Beleg steht als Absender „Touristeninformation Karlshagen“. Als Absender ist dies ein Kunstbegriff, der im deutschen Recht als Bezeichnung einer Gemeinde nicht existiert. Ist dies eine Abteilung vom Amt? Ist dies eine selbständige Gesellschaft?

e) Eine Gemeinde mag eine Steuer erheben dürfen und diese als Kurtaxe bezeichnen. Und wenn sie sie nicht selbst erhebt, wie dies bei den Bettensteuern z.B. vom Hotel gemacht wird, ist dies beschlossen und verkündet im Amtsblatt ersichtlich. Und der Hotelier hat ein solches Amtsblatt gewöhnlich bei sich liegen, um dem Gast bei Bedarf zeigen zu können.

f) Der Beleg entspricht nicht §14 Abs 4 Nr.1 UStG. Es fehlt schon „der vollständige Name … des leistenden Unternehmers“. Nur Scherzbolde glauben „Touristinformation Karlshagen“ sei eine rechtsgültige Bezeichnung für ein Unternehmen.

Doch wie kommt es, daß ein solches Verhalten nicht auffällt? Kann es wirklich Strandvögte geben, die auf Deutschlands Stränden Geld kassieren und keinen störts?

Und genau an dieser Stelle wird die Sache dann wieder Rund.

Es sind die mächtigen Bewohner der Eigentumswohnungen in besonderer 1A-Lage vor Ort. Diese möchten auch weiterhin unter sich bleiben und auf keinen Fall ein Urlaubsort mit tausenden von Urlaubern, gar mit Kindern noch schlimmer mit Hunden werden. Hunde waren für die Herrschaften doch schon früher ein unberechenbarer Graus. Die konnte man einfach nicht einschüchtern.

Diese netten Bewohner sorgen wohl auch heute noch dafür, daß die Strandvögte ihre Arbeit machen können und die Zahl der fremden (ungebetenen) Gäste überschaubar und kontrollierbar bleibt.

Ich respektiere Euren Wunsch.

P.S. Das oben angesprochene Foto des Strandvogtes wird hier nicht veröffentlich, weil dies gegen die DSGVO verstößt. Die DSGVO ist geschaffen, um Bilder von Tätern nicht auch noch im Internet wiederzufinden.